«Waren wir von der Natur jemals weiter entfernt als heute?», schreiben Jonas Reif und Christian Kress im Vorwort ihres Buches «Blackbox Gardening».
Das frage ich mich auch. Vor allem dann, wenn ich wieder an einer neuen, trutzigen Befestigung aus grauen Granitsteinen vorbeikomme – gekrönt von Thuja oder Kirschlorbeer. Was sind das für Menschen, die Tausende unter Stein begraben? Mit einem Bruchteil davon könnte man blühende Gärten schaffen – und Lebensraum für singende, summende und flatternde Zaungäste.
«Blackbox Gardening» ist ein Buch für all jene, die Dynamik und Zufall in ihren Garten bringen möchten. Für Menschen, die es schätzen, dass Gartenbilder sich wandeln und somit jedes Jahr einzigartig sind. Dass dies nicht in ausufernde Wildnis münden muss, zeigen die Autoren anhand von Gartenporträts unterschiedlicher Stilrichtungen, illustriert mit ausdrucksstarken Fotos von Jürgen Becker.
Das Buch ist aber mehr als nur visuelle Inspirationsquelle. Ganz konkret zeigt es Wege auf, wie sich Pflanzenbilder mit versamenden Pflanzen nach eigenen Vorstellungen lenken lassen. Welche Pflanzen sich dafür besonders eignen, erfährt der Leser im Lexikon am Ende des Buches. Unter den 90 Porträts sind zahlreiche einheimische Wildstauden, Ein- und Zweijährige sowie eine Auswahl an Kultursorten.
Jedenfalls hat die Lektüre meine Neugier geweckt und mich ermutigt, es nochmals mit versamenden Pflanzen zu versuchen. Vielleicht stehen die Chancen gar nicht so schlecht. Heute Nachmittag entdeckte ich im Kiesweg Sämlinge von Duftnachtkerze (Oenothera odorata) und Mutterkraut (Tanacetum parthenium). Unser älterer Sohn hat sie mit seinen noch zarten Händen vorsichtig herausgezogen und in eine Anzuchtkiste gesetzt. Sobald die Pflänzchen kräftig genug sind, werden sie im Beet einen Ehrenplatz bekommen – auf dass sie sich zahlreich vermehren …
Die Fotos habe ich übrigens im Schaugarten der Wildstaudengärtnerei Stift Höfli in Nussbaumen (TG) aufgenommen. Wer sich ans Gestalten mit einheimischen Wildpflanzen herantasten möchte, ist dort in besten Händen: Vroni, Cora und Hanna erzählen mit Fachwissen und Begeisterung von ihren Schützlingen, die nur böse Zungen als «Jät» bezeichnen.
Jonas Reif, Christian Kress, Jürgen Becker:
«Blackbox Gardening – mit versamenden Pflanzen Gärten gestalten»
2014, Eugen Ulmer Verlag
ISBN: 978-3-8001-7538-3
Wie wahr, wie wahr. Auch mir blutet das Herz, wenn ich mal wieder einen neuen, „pflegeleichten“ Garten sehe, der unter Steinen begraben ist und aus dem ab und zu ein Buchsbaumkügelchen herausschauen darf.
Die Worte von Kress und Reif sind leider so wahr. Mich macht es sehr traurig, wie sich nicht nur unsere Gärten immer mehr von der Natur entfernen, sondern eben vor allem die Menschen. Wenn ich das ganze Gift im Baumarkt sehe, um gegen Ameisen und sonstige Insekten anzukämpfen….warum bloß?!
Liebes Gartenfräulein,
ich kann Deine Gefühle nur allzu gut nachvollziehen. Aber vielleicht tragen wir Gartenbegeisterte alle ein bisschen dazu bei, dass sich das wieder ändern wird. Gestern haben wir im Pflanzgarten von Schloss Hegi gut 250 einheimische Wildstauden gesetzt – um zukünftig allerei Insekten und Vögel in den Garten zu locken.
Anfang der Woche waren Zweitklässler mit ihrer Lehrerin zu Besuch, um Samen zu sammeln. Es war wunderbar zu sehen, wie begeisterungsfähig die Kinder für die Natur waren. Das macht Hoffnung!
Liebe Grüsse
Carmen