Alle Jahre wieder führen mein Mann und ich ein kurzes Kammerspiel auf. Darin wird die Gärtnerin zur Circe und ihr Mann zum Goldgräber –  ein «Miststück» – in drei Akten.

1. Akt:
Gärtnerin: (betont beiläufig)
Ach, dass es nochmals sooo mild wird vor Weihnachten!

Gatte der Gärtnerin:
Hm. (mir schwant etwas, aber ich tue jetzt so, als sei ich ganz tief in Gedanken versunken.)

2. Akt:
Gärtnerin: (mit Nachdruck)
Das wäre jetzt die letzte Gelegenheit, die Rosen mit Rossmist zu versorgen.

Gatte der Gärtnerin:
Hm? (seufz, dachte ich es mir doch, worauf sie mit ihrem Kommentar zum Wetter anspielt!)

3. Akt:
Gärtnerin: (flötend)
Schätzchen, könntest Du nicht noch eine Schubkarre voll Rossmist holen? Als Weihnachtsgeschenk an die Rosen?

Gatte der Gärtnerin:
Also gut… (Widerstand zwecklos. Wer könnte der Königin der Blumen einen Wunsch abschlagen?!?)

So oder ähnlich spielt es sich alle Jahre wieder ab. Mit Engelszungen versuche ich meinen Mann ab Mitte Herbst zu bezirzen, mir eine Schubkarre voll Rossmist vom Pferdestall im Dorf zu holen. Natürlich gibt es allerlei Hindernisse: das schlechte Wetter, die häuslichen Pflichten, die «wochenendliche» Erschöpfung. Aber irgendwie klappt es dann doch noch – und sei es erst am 22. Dezember.

Für den Rosenzüchter John Scarman ist Rossmist «the gardener’s gold». In einem Gartenkurs griff er sogar einmal mit blossen Händen in einen Eimer «Gärtnergold», um seine Wertschätzung zu veranschaulichen: «This is the good stuff.» Das muss mich geprägt haben. Seither vergeht kein Winter, in dem unsere Rosen nicht eine Schaufel abgelagerten Rossmist bekommen. Und seit ich begonnen habe, mit effektiven Mikroorganismen zu arbeiten, bestäube ich den Mist noch mit einer Mischung aus Gesteinsmehl und EM-Keramikpulver. Das soll dazu beitragen, dass die Bodenorganismen die Nährstoffe besser aufnehmen. Zum Schluss lege ich noch ein paar Zweige Tannenreisig darüber. So warm eingemummelt haben sogar zwei Stecklinge der englischen David Austin-Rose «Corvedale» die eisigen Kahlfröste im Februar überstanden. Vielleicht hätten sie das auch ohne die spezielle Rossmistpackung. Aber welche Gärtnerin schwört nicht gerne auf ihre «Geheimrezepturen»…