Ein neuer Garten ist wie eine leere Leinwand. Eine Fläche nur, kein Raum. Zum Gartenraum wird sie erst durch das Gestalten mit Pflanzen. Durch das Spiel mit verschiedenen Höhenelementen. Als wir im Juni 2010 unser Reihenhaus bezogen, hätte ich am liebsten gleich mit dem Pflanzen begonnen. Doch es war schon ungewöhnlich heiss und die Erde ganz hart. Deshalb übte ich mich erst einmal in Geduld.

Juli 2010

Vom Gartenbauer haben wir uns nur die Kieswege anlegen lassen, wie ich sie im Gartenplan skizziert hatte. Alles andere wollten wir selbst machen. Zum Glück stand damals noch der schöne Nussbaum auf Nachbars Grundstück. Er sorgte gleich ein bisschen für ein Gefühl der Geborgenheit.

August 2010

In den ersten Wochen genossen unsere Söhne die Freiheit, in den Beeten mit Bagger & Co spielen zu dürfen. Ausser ein paar Wicken wuchsen ohnehin nur Melden, die wir im Herbst unterpflügten.

Mai 2012

Zwei Jahre später war der Garten schon erstaunlich grün. Die Buchenhecke an der Grundstücksgrenze war bereits so hoch wie der Gartenzaun. Und die Stauden in den Beeten explodierten förmlich, weil der Garten noch so sonnig war.

September 2012

Im Herbst des gleichen Jahres sah es nach dem ersten Höhepunkt wieder etwas ruhiger aus. Doch immerhin blühte hier und dort noch etwas, zum Beispiel die Clematis viticella ‚John Treasure‘.

Juni 2014

Wieder zwei Jahre später hatten die weidenblättrigen Birnen (Pyrus salicifolia ‚Pendula‘) an Umfang zugelegt und liessen vergessen, dass der altersschwache Nussbaum gefällt werden musste.

Mai 2016

Im 6. Jahr schliesslich hatte die Buchenhecke eine Höhe erreicht, die den Garten wirklich als Raum definierte. Irgendwo habe ich einmal gelesen, eine Hecke müsse 1.7 m hoch sein, damit man sich im Garten geborgen fühlt.

Juni 2017

Mittlerweile sind die Bäume so gross geworden, dass ich mancherorts andere Stauden pflanzen muss. Stauden für den Halbschatten. Auch die Rosen blühen nicht mehr so üppig wie am Anfang. Dafür gibt es mehr «Vagabunden», die sich dort niederlassen, wo es ihnen gefällt.

August 2010

Auf diesem Foto sieht man, wie der Garten am Ende des ersten Sommers aussah. Die Garagenwand war ohne Spaliergerüst noch ganz kahl und dominant. An der Pergola gab es noch keine Kletterpflanzen.

September 2010

Das Einzige, was ich noch im ersten Sommer gepflanzt habe, war der Einfassungsbuchs. Vom erträumten «Wolkenschnitt» waren die kleinen Pflänzchen natürlich noch weit entfernt.

September 2011

Kaum zu glauben, wie sich die Vegetation innerhalb von einem Jahr entwickelt hat! Die Bäume sind noch Winzlinge, aber die Stauden und einjährigen Kosmeen haben sich prächtig entwickelt.

Juni 2013

Zwei Jahre später ist der Garten kaum wiederzuerkennen. Alles scheint explodiert zu sein. Vor allem auch die Wildrose am Rosenbogen, die nur wenige Jahre so überschwänglich geblüht hat.

April 2015

Im Frühling sieht es immer erst noch etwas kahl aus. Obwohl der Buchs frisch austreibt und sich die Zierbirnen und -äpfel mit Blüten schmücken. Das liegt daran, dass ich im Herbst faul werde und keine Lust mehr habe, Blumenzwiebeln in die Erde zu bringen.

Mai 2015

Lange muss man sich aber nicht gedulden, denn im Mai haben die Stauden dann ohnehin wieder alles erobert, die Rosen erblühen und die Clematis montana ‚Wilsonii‘ verströmt ihren zarten Vanilleduft. Mai und Juni zählen auf jeden Fall zu meinen Lieblingsmonaten im Gartenjahr.

Hoffentlich ermutigen diese Vorher-nachher-Fotos all jene, die in diesem Frühjahr oder Sommer selbst eine leere Leinwand gestalten dürfen. Man braucht etwas Geduld, ja. Aber eigentlich ist es erstaunlich, wie schnell sich die Natur entfaltet – wenn man ihr dazu Raum gibt.